Im dicht besiedelten Südkorea sind Grundstücke knapp. Vor der Hafenmetropole Busan soll jetzt eine schwimmende Stadt für 12.000 Einwohner entstehen.

Im dicht besiedelten Südkorea sind Grundstücke knapp. Vor der Hafenmetropole Busan soll jetzt eine schwimmende Stadt für 12.000 Einwohner entstehen.

Weiche Wasser­innovationen

Lesezeit 2 Minuten

Wasser ist der Urquell der Innovation. Oftmals bedeutet Fortschritt ­zusätzlichen Verbrauch. Sogenannte weiche Innovationen zeigen, dass die kostbare ­Ressource verantwortungsvoll genutzt werden kann.

Erscheinungstermin14. August 2023

TextBjörn Theis

Björn Theis leitet die Abteilung Foresight der Evonik-Innovationseinheit Creavis.

Unsere Geschichte ist eine Wasser­geschichte. Viele Kulturen entwickelten sich entlang der großen Flüsse: Dank Gewässern wie dem Euphrat und dem Tigris in Mesopotamien, dem Nil in Ägypten oder dem Gelben Fluss in China verfügten diese „hydraulischen Kulturen“ über einen Überschuss an Trinkwasser und Nahrungsmitteln. Aus der Wasserwirtschaft entstanden unzählige Innovationen. Nicht nur Acker-, Deich-, Schiff- oder Schleusenbau wurden optimiert, auch Chemie, Hygiene, Physik und Mathematik profitierten.

Mit der Industrialisierung brach Jahrtausende später ein Zeitalter an, in dem die Innovationskraft des Menschen drastisch zunahm. Gleichzeitig stieg der Wasserverbrauch. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die genutzte Menge weltweit von 1900 bis 2025 verzehnfachen könnte. Es scheint: Innovation (ver-)braucht Wasser.

DER WEICHE PFAD

In Zukunft könnte sich das ändern: Lange setzte die Menschheit auf „harte“ Wasserinnovationen wie Kanalsysteme, Stauseen oder Meerwasserentsalzungsanlagen, um die steigenden Wasserbedürfnisse zu befriedigen. Immer mehr Universitäten und Start-ups wählen heute jedoch einen „weichen“ Innovationspfad und setzen auf Entwicklungen, die darauf abzielen, Wasser verantwortungsvoll zu nutzen. Eine innovatorische Neuentdeckung des Wassers ist in vollem Gange. Ein Beispiel für eine solche Transformation kommt aus Kalifornien: Hier arbeitet der Projektentwickler Solar Aquagrid derzeit daran, einen der wichtigsten Bestandteile der „harten“ Wasserinfrastruktur zu optimieren: Gemeinsam mit der Regierung planen die Projektentwickler, das 6.000 Kilometer lange offene Kanalsystem des Bundesstaates mit Solarmodulen zu überdachen. Dies würde die Verdunstung reduzieren und rund 13 Gigawatt Solarstrom Jahr für Jahr verfügbar machen ‒ genug, um 9,8 Millionen der 13 Millionen Haushalte Kaliforniens zu versorgen.

Unter dem Namen Project Nexus hat der Bau einer ersten Testmeile bereits begonnen. Das Unternehmen Oceanix hingegen möchte für den Menschen neuen Lebensraum erschließen. Zusammen mit den Vereinten Nationen, dem Massachusetts Institute of Technology und dem Architekturbüro Bjarke Ingels Group arbeitet das Unternehmen daran, schwimmende Städte zu bauen. Unter dem Namen Oceanix Busan soll die Konstruktion des ersten Prototyps bereits in diesem Jahr beginnen. Diese erste schwimmende Stadt entsteht vor der Küste Koreas und soll mit einer Fläche von sechs Hektar eine klimapositive Heimat für circa 12.000 Menschen bieten.

TRINKWASSER AUS DAMPF

Die Forscherinnen und Forscher der University of Illinois Urbana-Champaign hingegen möchten sich den natürlichen Wasser­zyklus zunutze machen und Wasserdampf von der Oberfläche der Ozeane in Trinkwasser umwandeln. Im Gegensatz zu existierenden Entsalzungsanlagen müsste das System kaum Energie aufwenden, um das Wasser zu verdampfen, und ist somit deutlich günstiger. Das Team hat in einer Studie insgesamt 14 Städte, darunter Abu Dhabi, Barcelona und Los Angeles, untersucht und kam zu dem Schluss, dass pro Anlage und örtlichen Gegebenheiten jährlich zwischen 38 und 78 Milliarden Liter Trinkwasser gewonnen werden könnten. Eine ganz neue Anwendung für Wasser hat die Ruhr-Universität Bochum im Dezember 2022 vorgestellt.

Die Forscher entwickelten eine wasserbasierte Computerschaltung, die um eine ganze Größenordnung schneller ist als Halbleiter. Dies gelang, indem die Wissenschaftler Natriumiodid-Ionen in Wasser lösten, das sie dann als Strahl von wenigen Mikrometern Dicke auffächerten und mit einem Laser beschossen. Sie konnten zeigen, dass der sehr kurze Laserimpuls die Elektronen aus dem Salz befreit, worauf das Wasser elektrisch leitend wird und somit schalten kann. Die Beispiele verdeutlichen: Auch im 21. Jahrhundert bietet Wasser immer noch einen wahren Ozean an Innovationsopportunitäten. Ein guter Grund für das Creavis-Foresight-Team, ein besonderes Augenmerk auf das Thema der Wasserinnovationen im Rahmen des neuen Foresight-Fokusthemas GameChanger 2040 zu legen.

Foto: BIG / Bjarke Ingels Group

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