Patrick Stenner ist Verfahrensingenieur und Leiter der Gruppe Electrochemistry & Exploration bei der Verfahrenstechnik im Evonik-Werk Hanau.

Patrick Stenner ist Verfahrensingenieur und Leiter der Gruppe Electrochemistry & Exploration bei der Verfahrenstechnik im Evonik-Werk Hanau.

Jäger des verlorenen Plastiks

Lesezeit 3 Minuten

Kleinste Kunststoffpartikel im Wasser belasten die Umwelt. Evonik-Ingenieur Patrik Stenner sammelt die Teilchen mithilfe der Elektrochemie ein – und gewinnt aus ihnen einen Rohstoff.

TEXTChristoph Bauer

Enthaltene Medien

Als Verfahrensingenieur ist Patrik Stenner darauf gepolt, bestehende Prozesse immer weiter zu verbessern. Stenner, Leiter der Gruppe Electrochemistry & Exploration bei der Verfahrenstechnik im Evonik-Werk in Hanau, ärgert sich darüber, dass bei der Produktion und Verarbeitung von Polymeren ein kleiner Prozentsatz in wässrigen Produktionsrückständen verloren geht. Zwar geraten die Mikropartikel nicht in die Umwelt, da sie chemisch gebunden, getrocknet und dann verbrannt werden. „Aber wir verlieren wertvolle Rohstoffe, und CO2 wird unnötig freigesetzt“, sagt Stenner. Mit Elektrochemie will er daran etwas ändern.

Stenner und sein 14-köpfiges Team arbeiten an elektrochemischen Prozessen, die dank zunehmender Verfügbarkeit von Ökostrom derzeit einen Aufschwung erleben. Mikropartikel im Abwasser beschäftigen ihn bereits seit gut fünf Jahren. Er beobachtete, dass sich die üblicherweise unbeweglichen, nur nanometerkleinen Partikel schnell im Wasser bewegen, sobald ein elektrisches Feld darin aufgebaut wird. In der Regel werden die Polymerteilchen von der positiv geladenen Anode angezogen.

In einer ersten Versuchsreihe wurden zwei kleine, parallel angebrachte Metallplatten ins Abwasser getaucht und mit Strom verbunden. Die Polymere lagerten sich an der Anode an und ließen sich anschließend leicht davon entfernen. „In der Produktion benötigen Sie aber einen kontinuierlichen Prozess“, erläutert Stenner. Nun dient eine sich drehende Metallwalze als Anode und das Abwasserbecken als Kathode. Mit einem Schaber werden kontinuierlich die an der Walze haftenden Polymere abgelöst und in den Produktionsprozess zurückgeführt. Der Kreislauf schließt sich.

Der interne Versuch ist inzwischen Teil eines EU-Projekts: Stenner und seine Kollegen arbeiten im Rahmen von „LimnoPlast“ mit anderen Wissenschaftlern daran, die Probleme, die Mikroplastik im Wasser hervorruft, zu verstehen und zu vermeiden. Dabei geht es von der Suche nach den Ursachen der Wasserbelastung über deren Auswirkungen auf Mensch und Natur bis hin zu den Möglichkeiten, das Wasser zu reinigen. „Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz“, so Stenner. Die Federführung bei dem bis Oktober 2023 laufenden Projekt hat die Universität Bayreuth.

Die rund ein Meter breite Versuchsanlage bei Evonik in Hanau ist inzwischen in der Lage, Partikel in der Größe von weniger als zehn Mikrometern bis hinunter zu rund 100 Nanometern abzuscheiden, das entspricht etwa dem Hundertstel der Dicke eines Haares. Nun geht es um das Upscaling, also darum, eine Walze zu konstruieren, die in industriellem Maßstab nutzbar ist. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) zeichnete das Projekt im hessischen und im bundesweiten Responsible-Care-Wettbewerb 2020 jeweils mit dem ersten Platz aus.

Stenner kann sich sehr gut vorstellen, künftig nicht nur das Mikroplastik aus den Produktionsabwässern des Industrieparks Wolfgang in Hanau zurückzugewinnen, sondern das Verfahren auch in öffentlichen Kläranlagen einzusetzen: „Es gab bereits Anfragen von Herstellern, die bisher auf Filter und Membranen setzen, aber eine Lösung für diese sehr kleinen Partikel suchen, die bisher nicht zurückgehalten werden können.“

Fotos: Stefan Wildhirt / Evonik

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