Sauerstoff (rot) und Wasserstoff (weiß) gehen im Wasserstoff­peroxid-Molekül eine energiereiche Verbindung ein.

Sauerstoff (rot) und Wasserstoff (weiß) gehen im Wasserstoff­peroxid-Molekül eine energiereiche Verbindung ein.

Wie H₂O₂ produziert wird: das Anthrachinon-Verfahren

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Die Wiege der industriellen Herstellung von Wasserstoffperoxid steht in Weißenstein in Kärnten. Dort betrieben die Österreichischen Chemischen Werke die erste elektrolytische Wasserstoffperoxid-Fabrik der Welt, heute gehört sie zu Evonik. Das sogenannte Weißensteiner Verfahren ermöglichte erstmals die großtechnische Produktion von Wasserstoffperoxid. Inzwischen wird in dem Werk – wie fast überall in der Welt – das ­Autoxidationsverfahren eingesetzt. Es wurde zwischen 1935 und 1945 von Georg Pfleiderer und Hans-Joachim Riedl bei der IG Farben in Ludwigshafen entwickelt und seitdem immer weiter verfeinert. Das Verfahren beruht auf der zyklischen Reduktion und Oxidation eines alkylierten Anthrachinons. Der erste Schritt, die Hydrierung, findet in einem mit einer Lösung des Alkylanthrachinons (der „Arbeits­lösung“) gefüllten Reaktor statt. „Dort verbindet sich Wasserstoff in Gegenwart eines Palladiumkatalysators mit dem Reaktionsträger, einem Chinon-Derivat, zum Hydrochinon“, erläutert Jürgen Glenneberg, Leiter Process Engineering im Geschäftsgebiet Active Oxygens. Der Katalysator wird anschließend vollständig aus der Arbeitslösung herausfiltriert. Im zweiten Schritt, der Oxidationsstufe, wird Luft mit großen Kompressoren in einen mit der Arbeitslösung gefüllten Blasenreaktor gepumpt. Das Hydrochinon in der organischen Phase oxidiert bei Kontakt mit Luftsauerstoff unter Bildung von Wasserstoffperoxid spontan zurück zu Chinon. Die Tatsache, dass diese Reaktion ohne Zugabe eines Katalysators abläuft, gab dem Autoxidationsverfahren seinen Namen. Im dritten Schritt, der Extraktion, gelangt die Arbeitslösung in eine sogenannte Trennkolonne. Das darin enthaltene H₂O₂ wird extrahiert, indem Wasser im Gegenstromprinzip zugegeben wird. Das Ergebnis ist eine 35- bis 50-prozentige wässrige Lösung, die beispielsweise durch Vakuumdestillation oder zusätzliche Reinigungsschritte weiter aufbereitet werden kann.

Eine besondere technische Herausforderung des Verfahrens verbirgt sich in der Arbeitslösung: Sowohl Chinon als auch Hydrochinon müssen gelöst bleiben und dürfen nicht ausflocken. Die Löslichkeit lässt sich durch die Wahl eines geeigneten Alkylsubstituenten und die Zusammensetzung des Lösemittel­gemischs beeinflussen. „Zum Einsatz kommen typische alkylierte Anthrachinon-Derivate wie 2-Ethyl-, 2-tert.-Butyl- oder 2-Amylanthrachinon“, so Glenneberg. Um das Chinon in Lösung zu halten, sind häufig unpolare Stoffe wie C9-/C10-Alkylbenzole Teil der Arbeitslösung. Polare Stoffe wie Tris-(2-ethylhexyl)-phosphat, Diiso­butylcarbinol oder Methylcyclohexylacetat übernehmen diese Aufgabe für das Hydrochinon. Wichtig für den Prozess ist, dass die Arbeitslösung in der Anlage regelmäßig aufgereinigt wird. Zwar kann sie theoretisch unbegrenzt genutzt werden – würden jedoch in jedem Durchlauf nur 0,1 Prozent des Chinons in Nebenreaktionen irreversibel geschädigt, bräche der Prozess innerhalb von zwei Monaten zusammen. Die älteste Arbeitslösung von Evonik nutzt das Werk in Antwerpen (Belgien). Sie stammt von 1969.

Illustration: Shutterstock

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