Die Rote Armee sah sich 1942 gleich mit zwei Gegnern konfrontiert. Zum einen mit der deutschen Wehrmacht, die ihr beim Rückzug nach Stalingrad schwer zusetzte, zum anderen mit einem unsichtbaren Feind, der immer mehr Verluste forderte: Die Cholera breitete sich unter den russischen Soldaten und der Zivilbevölkerung aus. Um die Situation in den Griff zu bekommen, schickte die Moskauer Führung Sinaida Wissarionowna Jermoljewa, eine führende Mikrobiologin der UdSSR, nach Stalingrad. Da die Stadt von medizinischem Nachschub abgeschnitten war, fasste Jermoljewa den Plan, sich die natürlichen Fressfeinde des Cholerabakteriums zunutze zu machen. Sie errichtete eine Bakteriophagenproduktion und stellte genug Anti-Cholera-Suspension her, um täglich 50.000 Menschen zu behandeln. Nach wenigen Tagen war die Epidemie in der Stadt gestoppt. Dass die Phagen im Kampf gegen Bakterien höchst wirkungsvoll sein können, ist über die Jahrzehnte vielerorts in Vergessenheit geraten. Zuletzt rückte die Therapie jedoch wieder stärker in den Blick der Forschung. Bakteriophagen – kurz Phagen – sind Viren, die für ihre Vermehrung höchst spezifische Bakterien als Wirte erwählen. Ein Phage, der etwa Cholerabakterien befällt, kann auch nur diese infizieren, nicht jedoch menschliche oder tierische Zellen. Der Umgang mit Phagen ist daher recht sicher. Wie alle Viren docken sie an ihr Zielbakterium an, injizieren ihre Erbinformationen und programmieren es so um, dass es nach der Infektion weitere Phagen herstellt – so lange, bis keine Wirtsbakterien mehr übrig sind.