Hilfe für die Haut

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Neue Wirkstoffe in Kosmetika schützen vor wachsenden ­Umweltbelastungen. Sie kurbeln die körpereigene Entgiftung an oder bringen die Hautflora ins Gleichgewicht.

TEXTBERND KALTWASSER

Die Haut des Menschen ist ein echtes Hochleistungsorgan. Sie bewahrt uns vor dem Austrocknen und dem Verlust wichtiger Mineralstoffe. Gleichzeitig verhindert sie trotz ihrer geringen Dicke von nur wenigen Millimetern im gesunden Zustand zuverlässig das Eindringen von Schmutz oder Mikroben in den Körper. Neben permanenten Umwelteinflüssen ist die Haut im Sommer oft intensiver UV-Strahlung ausgesetzt. Hinzu kommen Belastungen durch Feinstaub oder Dieselruß sowie in einigen Weltregionen auch immer noch saurer Regen.

Diese äußeren Belastungen nehmen weiter zu. Deshalb wird es wichtiger, die Funktionsfähigkeit der Haut durch gezielte und wirksame Pflege zu erhalten. „In den vergangenen Jahren hat die Kosmetikbranche ihren Fokus erweitert und die Entwicklung neuer Wirkstoffe verstärkt in den Blick genommen“, sagt Professor Jean Krutmann vom Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf. „Ziel ist, die Haut zu schützen und ihr zu helfen, wenn sie durch Umwelteinflüsse aus der Balance geraten ist.“

EFFEKTIVER SCHUTZ VON HAUTZELLEN

Krutmann ist einer der führenden Experten in Deutschland, wenn es darum geht, das komplexe Zusammenspiel zwischen biolo­gischen Vorgängen in der Haut und äußeren Stressfaktoren zu ent­rätseln. Ihm gelang es als einem der Ersten, in epidemiologischen und mechanistischen Studien zu zeigen, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und Hautalterung gibt. Um diese Zusammenhänge noch besser zu verstehen, betreut der approbierte Arzt seit 2012 groß angelegte nationale und internationale Kohortenstudien – unter anderem mit Freiwilligen aus dem Ruhrgebiet, aus der stark verschmutzten chinesischen Region ­Taizhou und dem indischen Neu-Delhi, der Stadt mit der schmutzigsten Luft weltweit.

„Wir konnten inzwischen nachweisen, dass 70 bis 80 Prozent ­aller Hautveränderungen durch äußere Einflüsse bedingt sind – ­lediglich bei 20 bis 30 Prozent sind unabänderliche, genetisch ­bedingte Alterungsprozesse die Ursache. Hierbei ist Luftverschmutzung neben natürlicher UV-Strahlung der wichtigste Umweltfaktor, der den Hautalterungsprozess treibt“, berichtete Krutmann kürzlich auf der Tagung „Evonik Meets Science“. Im Rahmen des regelmäßig stattfindenden Wissenschaftsforums tauschen sich Evonik-Experten mit anerkannten deutschen Forschern zu unterschiedlichen ­Innovationsthemen aus. Zum jüngsten Treffen im September versammelten sich mehr als 250 Teilnehmer in Berlin.

Evonik hat in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Ansätze zum Schutz von Hautzellen gegen die vorzeitige, umweltbedingte Hautalterung entdeckt. „Wir bieten eine große Palette von Kosmetikwirkstoffen mit wissenschaftlich belegter Wirksamkeit an“, sagt Peter Lersch, Leiter des Global Innovation Management Personal Care im Segment Nutrition & Care von Evonik.

Einen wichtigen Ansatzpunkt bietet die äußere Hautschicht. Diese ist wie eine Ziegelmauer aufgebaut und besteht aus abgestorbenen Hornzellen, die mit komplex zusammengesetzten Lipid-Doppelschichten als Bindemittel eine hocheffektive Barriere bilden. Wenn diese Struktur gestört wird, trocknet die Haut aus, wird ­rauer und rissiger und anfälliger für das Eindringen schädigender Stoffe. „Hautidentische, synergistische Sphingolipid-Mischungen können Membrandefekte ausgleichen, die Abwehrkraft der Haut stärken, die Feuchtigkeitsversorgung verbessern und dadurch die Hautbarriere schnell und lang anhaltend wieder ins Gleichgewicht bringen“, sagt Lersch. Entsprechende Produkte hat sein Bereich schon vor einigen Jahren entwickelt.

»Das Mikrobiom
der Haut beeinflusst
die Gesundheit.«

JEAN KRUTMANN

LEIBNIZ-INSTITUT FÜR UMWELTMEDIZINISCHE FORSCHUNG

Auch wenn die Haut bereits gereizt ist, können Kosmetikinhalts­stoffe noch zu einer wirksamen Linderung beitragen. „Wir wissen, dass Aryl-Hydrocarbon-Rezeptoren im Inneren von Hautzellen auf Dieselruß reagieren“, erklärt der Leibniz-Forscher Krutmann. Eigent­lich liegen diese AH-Rezeptoren in nicht aktiver Form vor. Werden sie beispielsweise durch Rußpartikel aktiviert, wandern sie in den Zellkern und starten dort ein Programm, das zur Haut­alterung beitragen kann.

PFLEGEKOSMETIK FÖRDERT KÖRPEREIGENE ENTGIFTUNG

Pflegekosmetik kann dem entgegenwirken: entweder indem sie Stoffwechselwege neutralisiert, die durch Rußpartikel aktiviert wurden, oder indem sie körpereigene Entgiftungsprozesse ankurbelt, sodass der Umweltstress wieder abnimmt. Freie Radikale sind hochreaktive Sauerstoffmoleküle. In hoher Zahl verursachen sie Zell- und Gewebeschäden, die der Körper nicht ohne Weiteres wieder reparieren kann. Natürliche Radikalfänger in der Haut wie ­Thioredoxin binden an diese Sauerstoffmoleküle, machen sie ­weniger reaktiv und damit unschädlich. TEGO® Turmerone ist ein aus Gelbwurz extrahierter Naturstoff, der als Kosmetikbestandteil die Thioredoxin-Signalkaskade aktiviert und so die Bildung von hauteigenen Radikalfängern begünstigt.

HAUTMODELLE FÜR DIE WIRKSTOFFFORSCHUNG

Seit einiger Zeit nimmt die dermatologische Forschung verstärkt die natürliche Besiedlung der Haut mit Mikroorganismen in den Blick. „Wir wissen heute, dass die ausgewogene Zusammensetzung des Hautmikrobioms entscheidenden Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden hat“, sagt Krutmann. Während gesunde Haut eine große Vielfalt an Mikroorganismen aufweist, nimmt die Diversität des Mikrobioms bei krankhaften Hautzuständen häufig ab. Um das natürliche Gleichgewicht der Hautflora zu stärken, entwickelten die Evonik-Forscher daher ein spezielles mikrobiotisches Produkt: SKINOLANCE®. Der zellfreie Extrakt von Milchsäurebakterien des Typs Lactobacillus brevis stimuliert das Wachstum anderer erwünschter Bakterien der Art Staphylococcus epidermidis. Das wirkt sich positiv auf die Barrierefunktion der Haut aus, hemmt Entzündungsreaktionen und wirkt rauer und zu trockener Haut entgegen. Diese Effekte auf die Hautflora und das Hautbild konnten in einer klinischen Studie nachgewiesen werden.

Damit ist SKINOLANCE® das jüngste Beispiel für den Anspruch der Evonik-Forscher, die Wirksamkeit der eigenen Kosmetik­inhalts­stoffe wissenschaftlich fundiert zu belegen. „Aus diesem Grund beteiligen wir uns auch an dem neuen Projekthaus Tissue Engineering in Singapur“, sagt Lersch. In den Projekthäusern der strategischen Innovationseinheit Creavis werden Innovationsprojekte bearbeitet, die einen organisationsübergreifenden Charakter haben. In Singapur sollen unter anderem neue Hautmodelle entwickelt werden. Diese werden beispielsweise beim Screening von neuen ­Inhaltsstoffen für Kosmetika genutzt, um den möglichen Effekt ­potenzieller Wirkstoffe einzuschätzen. „Auch der Einfluss ethnischer Faktoren auf biologische Mechanismen der Hautveränderung ist für die Wirkstoffentwicklung ein äußerst spannendes Thema, das wir in Singapur ebenfalls erforschen wollen“, sagt Lersch. Bisher gebe es zwar einige interessante Ansatzpunkte, insgesamt seien mögliche Unterschiede aber noch viel zu wenig verstanden – genau der richtige Zeitpunkt für Evonik, sich dieses Themas gemeinsam mit Partnern aus der Wissenschaft anzunehmen.

Foto: Ivan Genasi/Blaublut-Edition.com

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